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Familiengeist über gesamte Firmengruppe

Im Bohler stand einst ein grosser Bauernhof. Hier wuchsen die drei Brüder Sebastian Müller-Kleeb, Urban Müller-Tschanz und Erwin Müller-Meyer mit acht weiteren Geschwistern auf. Im Gespräch mit den drei Inhabern der MÜLLER-STEINAG Gruppe sowie Ariane Müller, VR-Mitglied und Vertreterin der jüngsten Generation, wird eines deutlich: Der Familiengeist ist der wichtigste Wert der Firma.
Familiengeist über gesamte Firmengruppe

Welche prägende Kindheitserinnerung verbinden Sie mit dem Bohler?


Erwin Müller-Meyer (E.M.)
Wir sind hier auf diesem Gebiet aufgewachsen. Das Grundgeräusch des Kieswerks gehörte zu uns wie ein Wasserfall zu den Bergen, und wenn es still war, wurde der Vater nervös, weil dann etwas nicht stimmte. Wir waren umgeben von Tümpeln, Biotopen und Schlammweihern. Dort lebten Frösche und Kröten, die wir oft anschauen gingen.

Urban Müller-Tschanz (U.M.) Hier stand ein alter Bauernhof, wir waren sieben Buben und vier Mädchen. Bis zur Schule im Dorf mussten wir vier Kilometer zu Fuss gehen. Das störte uns aber überhaupt nicht. Die Mutter stellte uns am Morgen jeweils einfach hinaus und wir konnten draussen machen was wir wollten.

Ariane Müller (A.M.) Ich kam natürlich später zur Welt und wuchs in Rickenbach auf. Aber weil mein Vater Erwin so Freude an den Weihern hatte, kamen wir oft mit den Sandkastenkesseli rauf in die Grube und retteten die Kaulquappen aus den ausgetrockneten Weihern. Ausserdem fanden unsere Familienfeiern meistens hier auf dem Gelände statt und das war mit meinen fünfundzwanzig Cousins und Cousinen immer fantastisch. Wir hatten unendlich viele Möglichkeiten «Versteckis» zu spielen.

Urban Müller-Tschanz (U.M.) Arm- und Beinbruch gehörten dann auch manchmal dazu (lacht).

Sebastian/Baschi Müller-Kleeb (S.M.) Das hier war wirklich ein eigener Kosmos, eine eigene Republik. Ich kannte ­meine Familie und die Mitarbeitenden. Nur schon das Dorf Rickenbach war für mich weit weg und ein Ausflug dahin bedeutete ein ­Eintauchen in eine fremde Welt.

 

Bohler Rickenbach

Der Bohler in Rickenbach war ein Bauernhof. Im Zuge der Industrialisierung sollte mitten durch das Gebiet eine Eisenbahnlinie gebaut werden. Es kam anders.

Die beiden Brüder Xaver und Blasius Müller legten 1927 den Grundstein des heutigen Unternehmens, indem sie in der ehemaligen Scheune des elterlichen Hofs 1-Meter-Zementrohre maschinell fertigten.

1960 übernahm Sebastian Müller-Troxler und liess nur zwei Jahre später ein modernes Kieswerk bauen – da, wo schon Ende des 19. Jahrhunderts ein gewisser Herr Hunziker das Grien für seine Beton­warenfabrik holte. 1969 kam eine Produktionsstätte von 2-Meter-Spezial­betonrohren hinzu.

1981 wurde die MÜLLER-STEINAG BAUSTOFF AG gegründet und damit einerseits das Sortiment deutlich vergrössert, andererseits die Produktion effizienter gemacht.

1994 wurde die CREABETON BAUSTOFF AG gegründet und ein neues Verwaltungsgebäude im Bohler errichtet. 2003 kam der Standort Brugg, der einzige von der Hunziker AG übriggebliebene, zur MÜLLER-STEINAG Gruppe. So schliesst sich der Kreis.

Heute umfasst die Firmengruppe 16 Standorte und rund 1150 Mitarbeitende. Die einfache Scheune im Bohler ist dem grössten Kies- und Betonwerk der Region gewichen.

 

Wenn Sie auf die Geschichte rund um den Bohler zurückblicken, was war aus Ihrer Sicht das wichtigste Ereignis?


E.M.
Der grösste Schub passierte unter ­unserem Vater, Sebastian Müller-Troxler, indem er voll in den Kieswerkbau einstieg, eine Betonanlage errich­tete und die Pflastersteinproduktion aufzog.

U.M. Unser Vater war gelernter Landwirt. Sein Umdenken, dass er nicht ausschliesslich auf die Landwirtschaftsmaschinen setzte, machte den Unterschied. Wir gingen weltweit die neusten Maschinen anschauen.


Wo fand er die grösste Inspiration?


U.M. Nicht etwa in den USA, wie man denken könnte, sondern in Europa; Deutschland und Holland waren führend.

A.M. Ich bewundere den Mut, den mein Grossvater hatte, das Risiko zu nehmen, hier zu investieren, obwohl nicht von Anfang an klar war, ob es ein erfolgreicher Industrieort werden würde.

S.M. Die Übernahme der Hunziker AG 2003 war matchentscheidend. Diese war­­ ­einmal die grösste Schweizer Anbieterin von ­Betonwaren und deren Übernahme leitete sehr viele Veränderungen ein.


Wer ist für Sie die Frau oder der Herr MÜLLER-STEINAG?


E.M.
Unser Vater verkörperte die Firma und später unser ältester Bruder Baschi.

U.M. Die Eltern. Unsere Mutter hatte ­unseren Vater stets voll unterstützt – neben den elf Kindern, die sie gross gezogen hatte. Bis ins hohe Alter von 92 holte sie die Post in Rickenbach, das liess sie sich nicht nehmen, bis sie Anfang Oktober 2020 ver­storben ist.

A.M. Mein Grossvater war eine richtige Persönlichkeit, vor der ich immer viel Respekt hatte. Danach wurde Baschi die Leader-Figur.

S.M. Es gab verschiedene MÜLLER-STEINAG-Repräsentanten: Unseren Vater, dann kamen ich und bald Urban dazu. In ­diesem Zusammenhang sind aber auch ­Adalbert Vokinger und Louis Schnyder vom Rotzloch zu nennen.


Was wäre möglicherweise aus Ihnen geworden, wenn Sie nicht hier im Bohler wären?


E.M.
Als Kind wollte ich Bauer oder Astronaut werden.

U.M. Ich wollte Autorennfahrer werden. Aber ich kann gar nicht gut Autofahren.

A.M. (lacht laut): Du kannst wirklich nicht gut Autofahren! Ich überlegte mir, Lehrerin zu werden. Geografie interessierte mich besonders, aber auch Sprachen und Mathematik.

S.M. Ich war an allem interessiert, in ­Musik, Literatur und Naturwissenschaften. Aber am Schluss kam ich dorthin, wo ich hingehörte.


Was bringt die Zukunft?


E.M.
Der Beton ist ein faszinierender Baustoff. Die grosse Herausforderung für die ­Zukunft ist die Nachhaltigkeit. Wir brauchen Lösungen für weniger CO2-Ausstoss.

U.M. Potenzial gibt es zum Beispiel bei der Mobilität. Wir müssen die Lastwagen auf­rüsten, möglicherweise eine Flotte mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb beschaffen. In jeder Sitzung ist die Nachhaltigkeit ein Thema.

A.M. Wir müssen die kritischen Punkte proaktiv angehen. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Digitalisierung: Hier können wir effizienter werden und noch besser auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen.

S.M. Irgendwann werden wir nicht darum herumkommen, neue Produkte zu entwickeln, wenn wir den Standort Bohler erhalten wollen. Aber über die Jahre haben wir gelernt, wie richtig die Redewendung ist: «Schuster, bleib bei deinen Leisten»! Es muss mit der Bauwirtschaft zu tun haben.


Was sind für Sie die wichtigsten Werte Ihrer Firma?


E.M.
Wichtig ist, dass man gerne arbeiten geht und das Umfeld stimmt. Wir pflegen hier eine freie und offene Atmosphäre und einen sehr kollegialen Umgang.

U.M. Unser Erfindergeist. Und die familiäre Atmosphäre. Die Mitarbeitenden müssen zu uns passen und wir zu ihnen. Unsere Mentalität und unsere Werte durchdringen alle Werke, auch jene, die wir hinzugekauft haben.

A.M. Wir sind zwar gross, aber wir sind ein Familienbetrieb. Das heisst, wir gehen kollegial miteinander um, pflegen eine ­Du-Kultur, haben flache Hierarchien. Bei uns zählt nicht nur der schnelle Gewinn, sondern es geht um langfristige Projekte.

S.M. Ich bin stolz, dass es uns gelungen ist, den Familiengeist über die gesamte Firmengruppe auszubreiten.


Was ist Ihr Wunsch für die kommenden Generationen?


E.M.
Dass der familiäre Geist weiter­leben kann.

U.M. Es wäre schön, wenn die Firma weiterhin in der Familie bleibt. Wir zwingen niemanden dazu, aber wenn jemand möchte, ­geben wir gerne die Chance.

A.M. Bis jetzt waren Brüder am Ruder. Meine Generation ist durch meinen Cousin und mich vertreten. Ich hoffe, dass wir den Familiengeist weitertragen können.

S.M. Nach diesen Aussagen kann ich nur sagen: Amen.