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Auch Regen kann man managen

Die BIRCO GmbH gehört seit Anfang 2023 zur MÜLLER-STEINAG Gruppe. Das Unternehmen bringt grosses Know-how im Bereich Regenwassermanagement in die Gruppe ein und engagiert sich in der Entwicklung von nachhaltigen Lösungen. Im Interview mit Christian Merkel und Marian Dürrschnabel.
Christian Merkel und Marian Dürrschnabel

Seit Anfang Jahr ist BIRCO ein Teil der MÜLLER-STEINAG Gruppe. Welche Erfahrungen haben Sie in diesen ersten Monaten der engen Zusammenarbeit gemacht?

Christian Merkel: Für mich hat sich bestätigt, was wir bereits in der Verhandlungsphase festgestellt haben. Beide Firmen haben die gleichen Werte und überschneiden sich bei den Strategien. Ein wichtiger Baustein beim Aufbau des gemeinsamen Wegs zeigte sich direkt in den ersten Monaten – durch den Besuch der Leitung und des Verwaltungsrats der MÜLLER-STEINAG Gruppe. Sie wollten erleben, wie wir sind und unsere Produktion aufgestellt ist. Ganz besonders bemerkenswert bei diesem Treffen war, dass nach fünf Minuten alle zusammenstanden, als würden sie sich ewig kennen. Da dachte ich: «Das läuft!»

 

Aus den unterschiedlichen Erfahrungen der beiden Firmen kann sich viel Neues ergeben. Wie findet der Kompetenz­austausch zwischen MÜLLER-STEINAG Gruppe und BIRCO statt?

Marian Dürrschnabel: Für uns war es ein Augenöffner als wir feststellten: «Die MÜLLER-STEINAG Gruppe arbeitet ja in vielen Bereichen an den gleichen Themen wie wir!» Einmal ist die eine Firma ein paar Schritte voraus, einmal die andere. Unsere Mitarbeitenden sind in die Fachgruppen der MÜLLER-STEINAG Gruppe eingebunden. Die Verzahnung fängt direkt an, zu greifen. Ich erlebe diesen Austausch als bereichernd und bekomme auch von den Mitarbeitenden sehr gutes Feedback. Wir können Dinge nun noch schneller umsetzen. Es beschleunigt uns als Ganzes. 

 

Was bringt BIRCO in die MÜLLER-STEINAG Gruppe mit ein?

Christian Merkel: Wir bringen vor allem unsere Erfahrung und Expertise im Bereich der dezentralen Oberflächenentwässerung und im Bereich des Regenwassermanagements  mit, die Betrachtung des Wasserkreislaufs als Gesamtsystem. Unsere Lösungen und Produkte ergänzen das bestehende Produktportfolio der MÜLLER-STEINAG Gruppe auf perfekte Weise. Wir sind zudem wirklich gut darin, alles auf einen Nenner zu bringen, und kommunizieren dies nach innen und aussen verständlich und punktgenau. Auch verfügen wir über ein grosses Know-how im Vertrieb. 

 

BIRCO bleibt als Marke autark, wie wichtig ist das?

Christian Merkel: Enorm wichtig. In Süddeutschland (Sitz in Baden-Baden) kann man BIRCO mit dem Tempo-Taschentuch vergleichen. Wir haben diese Marke über die letzten Jahrzehnte geformt – mit wesentlichen Attributen: Zuverlässigkeit, Kundennähe, Lösungsorientierung und Qualität. Als Brand werden wir viel grösser wahrgenommen, als wir sind. Es wäre nicht sehr schlau, diese Bekanntheit aufzugeben.

 

BIRCO ist spezialisiert auf das Regenwassermanagement. Was macht eure Lösungen so besonders?

Marian Dürrschnabel: Wir denken ein Projekt von A bis Z durch. Wir suchen die perfekte Lösung für die jeweilige Situation. Ganz egal, ob es sich um Pärke, Siedlungen oder ganz komplexe Anlagen wie etwa einen Flughafen handelt. Wir verfügen über einen ganzen Blumenstrauss an Produkten für jede örtliche Begebenheit. Das Portfolio reicht von einfachen Rinnen und Filteranlagen in Rinnen- beziehungsweise Schachtform über Sedimentationsanlagen bis hin zu Speicheranlagen in Tunnel- oder Boxgeometrie. Dabei steht für uns immer die Frage im Mittelpunkt: «Dient es der Sache und macht es Sinn?»

 

In der Schweiz wird aktuell das Thema «Schwammstadt» rege diskutiert. Es geht dabei um den Wasserkreislauf in grossen Siedlungsgebieten …

Christian Merkel: Das Thema ist zentral, auch bei uns. Es geht darum, die natürlichen Wasserkreisläufe zu erhalten, über- und unterirdisch. In Siedlungsgebieten und Städten ist das eine grosse Aufgabe. 

Marian Dürrschnabel: Die Urbanisierung und der zunehmende Zersiedlungsgrad machen die Herausforderung noch grösser. Genauso wie der Klimawandel: Wir verzeichnen vermehrt Dürreperioden und Starkregenereignisse. Das verstärkt das Problem, das wir sowieso schon hatten – die Versiegelung der Oberflächen in Städten. In unserer Arbeit betrachten wir die Stadt als System und möglichst ganzheitlich. 

 

Wie genau machen Sie das?

Marian Dürrschnabel: Wir verknüpfen unsere Erfahrungen und versuchen «out of the box» zu denken, wenn wir zum Beispiel Flächen betrachten, die Regenwasser aufnehmen sollen. Auch ein Flachdach ist eine Fläche, eine Fassade ist eine Fläche. Man kann Flächen multifunktional nutzen, etwa einen Skatepark abgesenkt bauen, sodass er temporär bei einem Starkregenereignis unter Wasser steht und andere Flächen vor Überflutung schützt. Jeder kleine Platz in einer Stadt kann zur Lösung beitragen, etwa indem man dort Bäume pflanzt oder einen Regenwasserbrunnen installiert. Das trägt im Weiteren zur Kühlung der Luft im Sommer bei. Unterirdisch kann man Speicher installieren, die Regenwasser aufnehmen und dieses in sehr trockenen Zeiten wieder an den Boden oder an eine Zweitnutzung abgeben.

 

Welche Fehler wurden diesbezüglich in der Vergangenheit gemacht? 

Marian Dürrschnabel: Die Versiegelung der Oberflächen hatte zur Folge, dass die Nutzung des Niederschlagswassers im Kontext des Regenwassermanagements ausserhalb der Betrachtung blieb. Das Niederschlagswasser wurde ungenutzt der Kanalisation zugeführt, die im Extremfall überlastet wurde. Der Karlsruher Marktplatz ist ein solches Beispiel. Andere Städte machen es besser. Kopenhagen zum Beispiel hat vor sechs Jahren einen Milliardenkredit für über 300 Infrastrukturprojekte genehmigt, um extreme Wetterereignisse aufzufangen beziehungsweise Strukturen und Lösungen zu entwickeln, die das Wasser nicht nur ableiten, sondern vor Ort zwischenspeichern und in Trockenperioden wieder abgeben.

Christian Merkel: In der Vergangenheit stand die Flächennutzung im Vordergrund. Man musste einen Wert aus der Fläche generieren. Sei dies mit Bauten in Siedlungsgebieten, aber auch in der Landwirtschaft. Das Thema Wassermanagement war noch vor 20 Jahren vielerorts überhaupt nicht präsent. Dies ist aber ein natürlicher Verlauf der Dinge. Vor 50 Jahren wurden die meisten Flüsse begradigt, man empfand das damals als sinnvoll. Jetzt werden sie renaturiert. Es gibt immer wieder Bereiche, in denen man bemerkt, dass etwas korrigiert werden muss.

 

Gibt es beim Wassermanagement weitere Bereiche, in denen solche Korrekturen anstehen?

Marian Dürrschnabel: Viele der Wassermanagementsysteme wurden früher zentralisiert. Das bedeutet, aus grossen Flächenstrukturen wurde das Wasser an einem Ort zusammengeführt. Heute wissen wir, dezentrale Systeme sind sinnvoller. Wir sollten versuchen, alles, was an Ort und Stelle anfällt, dort zu belassen. Unsere heutigen Kläranlagen sind nicht auf riesige Wassermassen ausgelegt. Wir können hier Abhilfe schaffen, indem wir nicht das ganze Wasser über die Kanalisation laufen lassen. Sauberes Regenwasser kann versickern, man muss dies jedoch in den Bebauungsplänen berücksichtigen. 

 

Gibt es aus Ihrer Sicht Vorbilder in Sachen Schwammstadt?

Christian Merkel: Bei einem ersten gemeinsamen Projekt, dem Flughafen Zürich, konnten die MÜLLER-STEINAG Gruppe als Betonspezialist und BIRCO mit den Erfahrungen in der Flughafenentwässerung bereits ihre Kompetenzen bündeln und ein neues, nachhaltiges Entwässerungskonzept umsetzen. Weitere Projekte sind in Arbeit, hiervon wird noch einiges zu hören sein …

 

Warum engagieren sich die Firmen BIRCO und die MÜLLER-STEINAG Gruppe so leidenschaftlich, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht?

Christian Merkel: Am Ende geht es um unser Lebenselixier Wasser. Es ist eine der wertvollsten Ressourcen, die wir besitzen. Wir wollen es schützen, schonend damit umgehen, es sinnvoll und nachhaltig managen. Dafür setzen wir uns ein. Insbesondere für die nachfolgenden Generationen. Es ist ein Minimalziel, das für uns ausser Diskussion steht. 

 

Wie lassen Sie dieses Ziel in den geschäftlichen Alltag einfliessen?

Marian Dürrschnabel: Wir stellen uns bei jedem Auftrag die Frage, mit welchen Produktlösungen wir einen möglichst grossen Effekt erzielen können. Ein Beispiel: 60 Prozent der Kanalisation in Deutschland ist marode. Wir müssen viele dieser Teile ersetzen. Dabei eröffnen sich Chancen, bessere oberflächennahe und einsehbare Systeme einzubauen. Zum Beispiel Rinnen mit einem Fassungsvolumen von annähernd 0,5 Kubikmeter pro Laufmeter. Oder Speicher, in denen wir Abwasser zwischenparken können, wenn die Kanalisation überlastet ist. Die grossformatigen Rinnen dienen dann der Zwischenspeicherung und gegebenenfalls der Behandlung des Niederschlagwassers und entlasten die Kanalisation bei Starkregenereignissen.

 

Wie schauen Sie als BIRCO, nun innerhalb der MÜLLER-STEINAG Gruppe, in die Zukunft? 

Christian Merkel: Wir werden uns innerhalb der Gruppe gegenseitig inspirieren und viele neue, noch bessere Lösungen entwickeln. Davon bin ich überzeugt. Manchmal ergibt 1 plus 1 nicht 2, sondern 3. Dieser Zusammenschluss ist ein solcher Fall. Wir haben etwas geschafft: eine zuverlässige Partnerin zu finden, die mit uns zusammen in die Zukunft geht und uns unterstützt, diese mitzugestalten.

Christian Merkel

Vorsitzender der Geschäftsführung

Christian Merkel hat eine Maurer­lehre absolviert und sich danach zum Betontechnologen weitergebildet. Nach dem Bautechnikerstudium trat er 1992 in die Firma BIRCO ein und arbeitete zuerst in der Produktion. Im Jahr 2000 wurde er zum Geschäftsführer ernannt und hat seither die Transformation des Unternehmens vom reinen Produzenten für Entwässerungsrinnen bis hin zum vollumfänglichen Systemanbieter massgeblich geprägt. 

Marian Dürrschnabel

Abteilungsleitung Produkt­management, Marketing und Anwendungstechnik

Marian Dürrschnabel hat Bauingenieurwesen mit Vertiefungsrichtung Siedlungswasserwirtschaft in Karlsruhe studiert. Bei BIRCO arbeitet er seit 2015. Zunächst war er im Produktmanagement und im Besonderen im Portfolioausbau des Regenwassermanagements und der Weiterentwicklung der Kernprodukte tätig. Aktuell ist er verantwortlich für Produktmanagement und Marketing sowie Anwendungstechnik. In Zukunft wird er sich noch stärker im Bereich Forschung und Entwicklung engagieren.

BIRCO GmbH

Die BIRCO GmbH aus Baden-Baden ist einer der führenden europäischen Systemanbieter im Umgang mit Niederschlagswasser. BIRCO stellt Rinnensysteme sowie Regenwasserbehandlungsanlagen her und vertreibt Versickerungssysteme. Das 1927 gegründete Unternehmen entwickelt Entwässerungskonzepte für die Kompetenzfelder Schwerlast, Umwelt, Galabau, Design und Projektmanagement. Aktuell beschäftigt BIRCO rund 160 Mitarbeitende.

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